Friday, 02. March 2007
die zauberflöte am opernhaus zürich
oh, das hat spaß gemacht gestern abend: live-übertragung von mozarts zauberflöte aus dem opernhaus zürich auf 3sat,
dirigent Nikolaus Harnoncourt. sehenswert!
hervorragend fand ich vor allen anderen Ruben Drole als Papageno (hier ein artikel über ihn in der nzz) und Julia Kleiter als Pamina.
spannend und mit witzigen details (auf- und abtritt der königin der nacht aus dem kühlschrank! oder die blind herumtappenden 3 damen) die inszenierung von Martin Kusej und das bühnenbild von Rolf Glittenberg, die einen deutlichen akzent setzen: worum dreht sich Taminos reise und wanderschaft? einzig darum, dazuzugehören zu den “eingeweihten”, in diesem falle also zur (feinen) gesellschaft, die sarastro um sich geschart hat, ein bund von männern, die vermeintlich wichtige spiele spielen und die regeln bestimmen (der fechtboden könnte auch ein golfclub sein), dekoriert von ihren (ansonsten bedeutungslosen) ehefrauen in abendgarderobe an champagnerglas. (sehr gut die kostüme von Heidi Hackl!) Tamino, der die ihm auferlegten regeln und prüfungen zu keiner zeit in frage stellt oder sich gar dagegen wehrt (wie etwa Papageno oder Pamina) gerät in eben diese mühle, dazugehören zu wollen zur etablierten gesellschaft, und geht, hilflos wie immer, den ihm vorgezeichneten weg.
schöne kleine zwischenbilder, z.B.: die drei knaben mit ihrer arie “Bald prangt den Morgen zu verkünden” sitzen im dunkeln um eine sonnengleich hell erleuchtete weltkugel (ein simpler globus) und sind dabei in schwarze anzüge gekleidet: hier musste man nur hinschauen, die bildsprache funktionierte grandios: da stehen, und tun jetzt schon wichtig, die (noch) kleinen männer-erwachsenen von morgen und teilen die welt auf.
die räume, in denen das leben spielt, sind karge, nackte, unwirtliche warteräume (u-bahnhöfe, krankenhaus-wartezimmer, flughafen-abfertigungshallen, heizungskeller, lagerräume kommen einem in den sinn), durch die sie alle irren. türen führen immer nur in einen anderen ebenso leeren keller-warte-raum, aus diesem gebäude kommt man nicht mehr hinaus, weil es gar nichts anderes gibt als dieses gebäude, in dem sich alle befinden (kafka winkt aus seinem schloß).
die alte frage, wer denn nun eigentlich böse ist in dieser geschichte, die königin oder sarastro, löst sich auf: hier ist keiner besser als der andere. die königin ist eine kalte, rachlüsterne frau, der es überhaupt nicht um das wohlergehen ihrer tochter Pamina, sondern einzig um die rache an Sarastro geht. und dieser ist schlicht ein schon etwas müde wirkender magnat im silbergrauen anzug, dem es lediglich um die erhaltung des systems an sich geht, aber ganz sicher nicht um “heilige” werte.
und so stimmt und fasziniert das schlussbild, das ja traditionell von friede, freude und liebesglück geprägt ist: Tamino und Pamina liegen bewegungslos auf krankenhausbahren, umringt von sarastro und seiner gut gekleideten gesellschaft und mein erster gedanke war: Kusej präsentiert sie schliesslich als tote (singen müssen sie ja nicht mehr im letzten bild). und als sie sich dann doch langsam bewegen und eher taumelnd aufstehen und sich wie verirrte tiere von den “leuten”, zu denen sie ja nun endlich gehören hin- ud her- und aufeinanderzuschieben lassen, war ich erst enttäuscht, weil mir diese radikale schlussidee sehr gefallen hatte, aber dann setzt Kusej noch eins drauf: die beiden, die längst schon schwarzen anzug und brautkleid tragen, werden ganz vorne an den bühnenrand geschoben, dahinter fällt ein vorhang, und sie stehen plötzlich vor einer weissen leinwand, auf der blitzlichter flackern, beim fotografen nämlich, der die hochzeitsbilder macht und sie auffordert, sich fürs foto zu küssen, was sie auch tun, zögerlich, irritiert, alles andere als glücklich.
wie immer ist es einzig Papageno, der vielleicht sein glück gefunden hat mit seiner Papagena. warum? weil er sich nicht wirklich um die von anderen gesetzten regeln kümmert? weil ihm die attribute der um sich selbst kreisenden gesellschaft gleichgültig sind und er deshalb freier ist als alle anderen? so in etwa vielleicht.
bemerkenswert und bedauerlich fand ich eigentlich nur einen aspekt: die spannende frage, wofür denn diese magischen dinge “zauberflöte” und “glockenspiel” stehen könnten, was denn in einer solch kalten, erbarmungslosen, aber auch langweiligen gesellschaft wie der vorgeführten solch immense kraft besitzt, das böse zum heiteren spiel verzaubern und also zum guten wenden zu können, lässt Kusej gänzlich offen, die beiden instrumente werden eigentlich nur herumgetragen (nicht mehr von den sängern gespielt), sie wirken als völlig bedeutungsloses accessoire, fast möchte man meinen, notgedrungen sind sie dabei, da man sie schlecht weglassen konnte.
aber gut. das ist ja auch eine spannende frage.
[update:] hier bloggt Kurt Aeschbacher vom Schweizer Fernsehen (SF) alles über die züricher zauberflöte mit interessanten einblicken hinter die kulissen.