Friday, 01. December 2006
dur & moll - tonartencharakteristik
und, angeknüpft an die vorige frage nach der traurigen hymne der niederländer: was genau an dieser hymne empfinden wir (oder nur ich?) als traurig? warum erscheinen uns, zumindest in unserem kulturkreis, musikstücke in moll eher als “traurig” oder “melancholisch” im gegensatz zum dur? warum wirkt der simple trick, die letzte strophe eines liedes einen halben ton höer zu singen, so oft ergreifend? ist das reine naturwissenschaft? wirken hier physikalische größen aufeinander?
Nein, sagt Reinhard Kopiez in einem Artikel zu genau dieser Frage: “Aus wissenschaftlicher Sicht ist diese subjektive Empfindung […] nicht eindeutig zu begründen.”
aha… Die Charakteristik der Tonarten sagt zu e-moll:
- weiblich, liebend, traurig (Charpentier 1690)
- tröstende Traurigkeit, tiefsinnig, manchmal lebhaft, aber nicht glücklich (Mattheson 1713)
- naiv, das arglose Eingeständnis weiblicher Liebe, Seufzer mit wenigen Tränen, wie bei einem weiß gekleideten Mädchen mit einem rosafar- benen Band um den Busen; völlig zufrieden werden Herz und Ohr, wenn man von e-Moll nach C-Dur zurückkehrt (Schubart ca. 1780)
hier noch mehr zitate zur Tonartencharakteristik in der Musikanschauung
des 17. bis 19. Jahrhunderts
ein übersichtsartikel zum tonartencharakter bei wikipedia.
vertiefend dort ein ausführlicher artikel über die grundlegenden modi.
aus einem artikel von Albert Wellik, Das absolute Gehör und der Charakter der Töne und Tonarten:
“Der Ton nämlich– das ist das grundsätzliche Mißverständnis– ist eine psychologische und nicht eine physikalische, exakt an die Schwingungszahl gebundene Tatsache. D. h. (mit Keyserling zu reden): wie immer, schafft auch hier die Bedeutung den Tatbestand. So kann akustisch ein und derselbe Ton auf dem Klavier zwei psychologisch, d. h. musikalisch durchaus entgegengesetzte Tatbestände: ‘cis’ und ‘des’ bedeuten und mithin tatsächlich auch erschaffen.”
Meyers Konversationslexikon von 1888 sagt dazu: “Der verschiedene Charakter der Tonarten ist kein leerer Wahn, hängt aber nicht, wie man hier und da lesen kann, von der ungleichartigen Temperatur der Töne ab (nämlich C dur als am reinsten gestimmt gedacht), sondern ist eine ästhetische Wirkung, die in der Art des Aufbaues unsers Musiksystems ihre Erklärung findet.”
da gibts also noch viel zu studieren, um der sache auf den grund zu gehen…